Unsere Goldrausch Frauen Part One – Dusties Workwear
Vielen Dank, dass ihr euch die Zeit für das Interview nehmt. Vielleicht könnt ihr kurz sagen, was eure Geschäftsidee ist und was euch motiviert hat, euch selbstständig zu machen?
Maria: Unsere Idee ist durch Alex’ eigenen Bedarf entstanden. Sie arbeitet als Tischlerin, und es war immer nervig, morgens etwas Passendes zum Anziehen zu finden. Wir haben nach geeigneten Kleidungsstücken gesucht und am Ende die Kleidungsstücke selbst umgenäht. Dann kam der Punkt, an dem wir dachten: Was wäre, wenn wir dasselbe für andere machen? Mittlerweile ist das für uns viel mehr als nur diese Idee. Durch Gespräche mit Freundinnen und Kolleginnen aus der Branche haben wir erkannt, dass der eigentliche Grund, warum es keine passenden Kleidungsstücke gibt, einen größeren und systematischen Hintergrund hat. Der Arbeitsplatz im Handwerk ist sehr ungleich für unterschiedliche Geschlechter. Und das hat uns eigentlich motiviert. Es geht uns also nicht nur darum, eine Hose bereitzustellen.
Alex: Der Punkt ist, dass es nicht nur um ein Kleidungsstück geht. Es gibt genug Kleidungsstücke auf dieser Welt, wir brauchen nicht noch irgendein weiteres. Aber ich habe gemerkt, als Maria mir dann die Hosen umgenäht hat, dass ich mit einer ganz anderen Einstellung zur Arbeit gehe. Ich fühle mich sicherer, weil ich weiß: „Hey, mir passt die Hose richtig gut. Ich weiß, ich gehöre hierher, auch wenn jemand anderes das anders sieht.“ Und dann haben wir gesagt: Wenn Maria mir dieses Gefühl mit etwas so Einfachem wie einer Hose geben kann, dann wollen wir, dass auch andere dieses Gefühl haben. Wir wollten selbst gründen, weil wir nicht bis zum Sankt Nimmerleinstag warten wollten, bis jemand anderes das für uns macht. Wir waren auch schon entsprechend vernetzt. Ich war in einer Community von FLINTA*-Personen und Handwerkerinnen, die genau wissen, was sie brauchen und die uns gesagt haben, dass sie sich freuen würden, wenn es endlich etwas Passendes auf dem Markt gäbe.
Könnt ihr euch erinnern, wann ihr die Entscheidung zur Gründung getroffen habt? War das ein bestimmter Tag oder eher ein schrittweiser Prozess?
Alex: Also, ich erinnere mich an den Tag. Ich habe mit meiner Schwester telefoniert und ihr gesagt: „Hey Bella, pass mal auf. Ich glaube, ich habe hier eine richtig gute Idee mit Maria entwickelt.“ Und dann hat meine Schwester auch überlegt: „Ja, stimmt, jetzt wo ich so drüber nachdenke, es gibt schon Arbeitskleidung, aber nicht so etwas, wie ihr es macht.“ Da dachte ich, das ist die Lücke, die wir füllen wollen. Und dann haben wir gesagt: Let’s go!
Und was ist danach passiert? Seid ihr dann erst mal zu einer bestimmten Anlaufstelle gegangen, oder wie seid ihr vorgegangen?
Maria: Wir haben mit einer Dame von der Gründerinnenzentrale (Antje Ripking) telefoniert, und sie war sehr begeistert von unserer Idee. Es gab ein Mentoring-Programm, und sie meinte: „Bewerbt euch.“ Das haben wir gemacht. Wir wurden dann nicht aufgenommen, aber durch den Prozess haben wir gemerkt, dass wir keinen Plan hatten bzw. nicht wussten, wie wir mit der Idee weitermachen sollen. Wir überlegten, wohin wir noch gehen könnten, und landeten schließlich im Kompetenzzentrum für Handwerker*innen.
Alex: Sie fanden unsere Idee gut. Über Antje Ripking von der Gründerinnenzentrale sind wir dann auch auf Goldrausch gestoßen, weil sie relativ schnell verstanden hat, dass unsere Idee gut ist, wir aber auch erst einmal Geld brauchen, um überhaupt etwas zu machen. Und das haben wir dann gemacht. Das ist mir auch immer noch so im Kopf geblieben, weil es mich geärgert hat: Wir haben auch bei Banken geschaut, z. B. bei der Förderbank Berlin. Die hatten aber eine visuelle Sprache, die mich gestört hat. Immer wenn es um größere Kreditbeträge ging, sah man Männer mit Raketen-Icons und großen Autos. Sobald es um kleinere Kreditbeträge ging, sah man hingegen eine Frau, die Blumen gießt. Da dachte ich mir: „Krass. Wir leben in Berlin, der Startup-Szene Nummer Eins, und ich schaue auf eine Förderbank, und mir wird direkt mein Platz zugewiesen.“ Das hat mich echt sauer gemacht. Dann haben wir relativ schnell gemerkt: Wenn du zu einer Bank gehst, dann wollen die letztendlich Verkaufszahlen unterstützen und ein wirtschaftliches System, das funktioniert. Aber da waren wir ja noch gar nicht.
Wir sind froh, dass wir zu Goldrausch gekommen sind, weil Goldrausch letztendlich eine Idee finanziert, während eine Bank Verkaufszahlen finanziert. Das ist der Unterschied.
Und wofür habt ihr das Geld konkret genutzt?
Maria: Zunächst haben wir in technisches Equipment investiert. Mit einem Schneideprogramm konnten wir Schnittmuster für unsere kurzen und langen Hosen in verschiedenen Größen entwickeln. Außerdem haben wir ein Handy mit einer sehr guten Kamera für unsere Marketing-Fotos gekauft. Für unser Branding haben wir das Logo, Stylepack und eine Farbpalette entwickeln lassen. Auch das Storytelling konnten wir damit entwickeln und umsetzen. Und natürlich mussten wir erst einmal Prototypen anfertigen lassen. Das hat dann auch Zeit gekostet, die passenden Schneider*innen zu finden und mit der Qualitätskontrolle zufrieden zu sein.
Alex: Mittlerweile arbeiten wir mit sechs Frauen zusammen, die auch nicht so weit entfernt sind. Das ist richtig schön. Ja, wir hatten uns als Unternehmensziel gesetzt, ein tolles Team mit Frauen aufzubauen. Natürlich arbeitet jede immer noch selbstständig, aber wir holen uns die Expertinnen, die wir brauchen. Und die haben wir jetzt. Wir haben eine Meisterschneiderin, die mit uns die Schnitte erstellt hat, und eine weitere, die die Produktion übernimmt. Unser Logo und Branding sind ebenfalls von einer Frau gestaltet worden. Wir suchen uns die Leute, die wir brauchen, und es macht einfach richtig Spaß, mit ihnen zusammenzuarbeiten.
Wie ist denn das Gefühl, wenn man in sich selbst investiert?
Maria: Ja, ich glaube, für mich war es eine Achterbahn der Gefühle. So viel Verantwortung zu haben und dann war plötzlich das Geld auf dem Konto. Ich war ein bisschen unsicher, wie ich es aufteilen sollte, obwohl ich eine riesige Liste hatte. Aber dann haben wir angefangen, und das Geld war schnell weg. Man muss darauf vertrauen, dass die Planung, die wir gemacht haben, funktionieren wird. Ines hat mir geschrieben: „Viel Spaß beim Investieren in euch selbst.“ Die Idee, Geld auszugeben und zu investieren, ist etwas völlig anderes. Und „investieren“ ist so ein schönes Wort, weil wir, wie Ines meinte, in uns selbst und unsere Idee investiert haben.
Wie habt ihr den ganzen Vergabeprozess empfunden? Den Pitch und alles, was dazugehörte?
Alex: Beim Pitch waren wir mega aufgeregt, aber ich muss sagen, es war entspannt. Ich kannte dieses Setup schon aus meinem Masterstudium. Letztendlich ist es super, dass man die Möglichkeit hat, seine Idee zu präsentieren.
Während des Vergabeprozesses haben wir allerdings gemerkt, dass alles länger dauerte, als wir erwartet hatten. Heute versuche ich daher so zu planen, dass ich immer einen Zeitpuffer einbaue, bevor ich gestresst werde.
Maria: Wir haben gelernt, dass in der Selbständigkeit alles länger dauert, als man denkt, egal worum es geht – sei es der Gründungszuschuss, die Produktion, die Kreditauszahlung usw.
Was glaubt ihr, was fehlt noch in der Gründerlandschaft für Frauen? Wo ist da noch Nachholbedarf?
Alex: Wir waren auf einer Veranstaltung, auf der auch Franziska Giffey als Wirtschaftssenatorin gesprochen hat. Die Veranstaltung hieß „Frauen im Handwerk“. Dort sprach auch die Präsidentin der Handwerkskammer. Beide meinten, es gibt den Gründerbonus und einen extra Zuschuss für Gründerinnen. Das klingt erst mal richtig gut. Wenn man genauer hinsieht, stellt man jedoch fest, dass man zuerst den Gründerbonus beantragen muss. Das bedeutet, dass einem als Frau nichts erleichtert wird, und dann darf man noch den Gründerinnenbonus beantragen. Für mich ist das eine doppelte Hürde, weil dadurch letztendlich nichts vereinfacht wird. Es ist auch sehr unübersichtlich, wie man mehr Informationen über solche Programme bekommt.
Also wünscht ihr euch mehr Struktur und Klarheit, habe ich das richtig verstanden? Was bedeutet das für euch konkret?
Maria: Bezogen auf den Gründerinnenbonus wünschen wir uns ein transparentes Angebot, das nicht so versteckt ist.
Alex: Wir standen oft vor der Problematik, dass wir bei manchen Programmen oder Angeboten schon zu weit fortgeschritten waren, weil wir bereits mit der Gründung begonnen hatten oder weil wir schon einen ausgearbeiteten Businessplan hatten. Bei anderen Programmen war es genau umgekehrt. Das heißt, wir sind bei vielen Programmen ständig aus dem Raster gefallen.
Es gab also hohe Bürokratiehürden, habe ich das richtig verstanden?
Alex: Ja, genau.
Wo würdet ihr euch konkret mehr Unterstützung wünschen? Wenn ihr es in Worte fassen könntet, was würdet ihr euch wünschen?
Alex: Ich denke, je mehr man netzwerkt, desto besser ist es, und je mehr Vorbilder man hat. Das bedeutet: mehr Veranstaltungen für Frauen zum Thema Gründung und Selbständigkeit, auch in unterschiedlichen Branchen. Um mehr Repräsentation zu schaffen, einfach Menschen zu zeigen, also Frauen, die schon etwas Ähnliches gemacht haben. Vieles hängt, finde ich, von einem Vorbild ab. Wenn man sieht, dass es jemand anderes geschafft hat, der in der gleichen sozialen Situation ist wie man selbst, dann ist das super hilfreich.
Maria: Bei solchen Netzwerktreffen kann man viele Leute treffen, die bestimmte Fähigkeiten haben, die man sucht. Wir haben zum Beispiel eine Steuerberaterin gebraucht. Viele Menschen bringen Fähigkeiten mit, die wir noch nicht so ausgeprägt haben, sei es in der Buchhaltung oder im Vertrieb. Aber alle möchten natürlich auch neue Kunden, die sie bezahlen können, was schwierig ist, wenn man am Anfang seiner Karriere steht, aber es könnte einen enorm voranbringen.
Maria: Vielleicht könnte man kleine Förderpakete anbieten, weil es oft reicht, wenn wir zum Beispiel einen Buchhaltungskurs machen könnten, der eine bestimmte Summe kostet, und dafür staatliche Unterstützung erhalten. Meiner Meinung nach sollten konkrete Kurse für Selbständige angeboten werden, wie zum Beispiel Gesprächsführungstraining, Verhandlungen und andere notwendige Business-Skills.